Sunday, 28 August 2011

Das letzte Fest des Nicolas Fouquet


Autor: Volker Steinkamp
Der Autor lehrt Romanistik an der Universität Duisburg-Essen.


Er war einer der reichsten und mächtigsten Männer Frankreichs und zeigte das gern. Sein Glanz provozierte Ludwig XIV., und Nicolas Foucquet stürzte tief.

Am Morgen des 17. August 1661 befindet sich die Dienerschaft auf Schloss Vaux-le-Vicomte, rund vierzig Kilometer südöstlich von Paris gelegen, in höchster Aufregung. Ein Fest wird gegeben, der Herrscher erwartet: der junge König Ludwig XIV. Es soll nicht irgendein Fest werden, nicht eine dieser mehr oder weniger pompösen Geselligkeiten, wie es sie alle Tage gibt in Paris oder auf den Schlössern der Provinz – sondern ein Fest, das der Welt zeigt, was Glanz, was Luxus bedeutet.

Gastgeber sind der 46-jährige Nicolas Foucquet und seine Gemahlin. Als Finanzminister Seiner Majestät und großzügiger Mäzen ist er einer der mächtigsten Männer Frankreichs. Es soll eine Art Housewarming-Party werden; denn erstmals präsentiert Foucquet dem König und der versammelten Pariser Hofgesellschaft sein neues Schloss in voller Pracht. Der Architekt Louis Le Vau hat es in vier Jahren geschaffen: in der ganzen Anlage, in seiner kunstvollen Symmetrie und dem zentralen, an eine barocke Kathedrale erinnernden Kuppelbau ein Meisterwerk der damaligen Avantgarde.

Als der 22-jährige König, begleitet von seiner Mutter Anna von Österreich, aber ohne seine Gemahlin, die, hochschwanger, in Fontainebleau geblieben ist, am frühen Abend eintrifft, eilt Foucquet ihm entgegen. Er führt ihn durch die Gemächer, vorbei an den kostbarsten Tapisserien und Möbeln. Im Großen Salon erläutert der Maler Charles Le Brun dem Monarchen die Allegorien der prächtigen Deckenmalerei.

Zur einbrechenden Dämmerung geleitet der Hausherr seine königlichen Gäste dann durch die Gartenanlagen, ein Werk des genialen André Le Nôtre. Foucquet zeigt ihnen die kunstvoll angelegten Kanäle, Bassins und Kaskaden – der Park von Vaux-le-Vicomte ist das erste große Beispiel eines jardin à la française, jenes Stils, der noch bis Ende des 18. Jahrhunderts Europas Schlossparks prägen wird.

Alles in Vaux-le-Vicomte überstrahlt die königlichen Residenzen

Foucquets Diener tragen Ludwig und die Königinmutter auf Sänften durch ein Spalier von mehr als zweihundert Fontänen, die ihren Strahl in die Höhe schießen. Ein wundervoller Einfall in dieser warmen Sommernacht! Das Wasser, das kostbare Gut, scheint auf Vaux-le-Vicomte im Überfluss vorhanden zu sein, wie überhaupt alles hier die königlichen Residenzen an verschwenderischer Eleganz und Modernität zu übertreffen scheint: den alten Louvre-Palast in Paris, die Schlösser von Vincennes und Fontainebleau, Versailles gar nicht zu erwähnen, wo zu dieser Zeit nur ein Jagdschlösschen steht.

Zurück im hohen Kuppelsaal, wird der Festgesellschaft von François Vatel, dem berühmtesten Küchenmeister der Zeit, zu den Klängen von vierundzwanzig Violinen ein fünfgängiges Menü auf goldenem Geschirr serviert. Alles strahlt im Glanz der Lüster, die Gesellschaft staunt. Nach dem Diner warten im Amphitheater schon die Schauspieler: Es ist Molière mit seiner Truppe. In nur zwei Wochen hat er im Auftrag seines Mäzens Foucquet seine erste Ballettkomödie Les facheux (Die Lästigen) verfasst. Ehe das Stück beginnt, entsteigt eine Nymphe einer riesigen Muschel und ruft die Götter an, sie möchten es dem König wohlergehen lassen und seine Sorgen auf immer zerstreuen.

Doch selbst diese Huldigung kann die düstere Stimmung des jungen Monarchen nicht aufhellen. Denn Ludwig vermag an der Prachtentfaltung durch seinen Minister keinen Gefallen zu finden. Zu sehr wird ihm an diesem Sommerabend bewusst, dass die eigenen Residenzen einem Vergleich mit Vaux-le-Vicomte nicht standhalten können. Zu sehr muss es ihn auch schmerzen, dass nicht er, der König, sondern einer seiner Untertanen die bewundernden Blicke der Festgesellschaft auf sich zieht und im Mittelpunkt des Abends steht.

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