Monday 4 November 2013

Regenwasser in Bombenkratern: Kriegsgemälde als Anti-Kriegsbilder

„LANDSCHAFT“
Viele deutsche Künstler sind in den Ersten Weltkrieg gezogen, zwei der größten, Franz Marc und August Macke, hat er früh das Leben gekostet. Otto Dix hingegen hat dem Krieg vier lange Jahre in die Augen geschaut – er war danach ein anderer und seine Kunst auch. Aber es existieren zahlreiche Zeichnungen, Aquarelle und Bilder, die Dix an der Westfront in Frankreich gemalt hat, Protokolle einer Katastrophe, Versuche zu bannen, was man noch nicht begreifen kann.

Aus seinen Bildern der zerfetzten französischen Kraterlandschaften scheint man die Erde schreien zu hören. Und doch gibt es eine Gouache aus dieser Serie, die aus dem Rahmen fällt, die „Landschaft“, die wir auf der rechten Seite abbilden. Zwei, drei leuchtendblaue Seen sieht man, in denen sich weiße Wolken spiegeln, ansonsten Herbstbäume in einer kühnen expressionistisch-kubistischen Landschaft. Erst durch die Datierung und durch unser Wissen, wo Dix in jenem Jahre 1917 war, eben an der Westfront, beginnt die Landschaft in eine unruhige Bewegung zu geraten. Man begreift, daß es keine Seen sind, sondern Regenwasser in Bombenkratern. Und man spürt, daß die schwarzen Linien, die sich über das Land ziehen, wirken, als seien es Wunden, in die Haut geritzt. Oder wie Dix in einer Feldpostkarte schreibt: „Tief wühlt der Stahl sich in der Erde Eingeweide.“

Die Sonne scheint tatsächlich an diesem Morgen, das Blau leuchtet auf, auch das Rot der Herbstbäume – und es scheint, als könne Dix den ewigen Kreislauf der Natur, die Unbarmherzigkeit, mit der die Sonne nicht nur Idyllen, sondern auch Schlachtfelder bescheint, nur ertragen dadurch, daß er zu malen versucht. Ihm gelingt dabei etwas sehr Seltenes: die französische Landschaft bleibt einerseits erkennbar, mit Bäumen, Bergen, Wasser – und zugleich schreibt er ihr ihre Geschichte ein. Sie war einmal Landschaft und wird nun auf immer vor allem Schlachtfeld bleiben.

Die großen retrospektiven Kriegsgemälde von Otto Dix und seine Druckgraphiken aus den späten Zwanzigern, frühen Dreißigern sind eindringliche Anti-Kriegsbilder. Seine Aquarelle und Gouachen von 1916/17 hingegen beziehen ihre ungeheure Kraft aus ihrer Ambivalenz gegenüber dem „Naturereignis Krieg“ (Dix). (FI)
Quelle: Villa Grisebach Auktionen GmbH, Berlin.

1 comment:

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