Monday 5 September 2011

Stuck - Altbauschmuck in neuer Pracht

Von Sascha Rettig

Renovierung: Nicht unter Denkmalschutz stehenden Stuck kann man selbst instand setzen - Gefühlvolles Vorgehen ist bei den historischen Gestaltungselementen in jedem Fall angesagt


Konturen nacharbeiten: Damit Stuck wieder in alter Pracht Decken und Wände ziert, müssen oft viele Farbschichten entfernt und Risse gefüllt werden. Foto: Jan-Peter Kasper/DPA

Eigentlich wäre der Stuck Schmuck für die Altbauwohnung, hätten nicht der Zahn der Zeit oder Renovierungsarbeiten Spuren hinterlassen. Damit er wieder in alter Pracht Decken und Wände ziert, müssen oft viele Farbschichten entfernt und Risse gefüllt werden. Doch Vorsicht: Bevor sie den Stuck beschädigen, sollten Unerfahrene besser eine Fachfirma beauftragen - oder zumindest einen Fachmann um Rat fragen.

Wie detailgetreu die oft aufwendigen Verzierungen instand gesetzt werden sollen, hängt immer auch vom individuellen optischen Anspruch ab. ,,Provisorische oder unfachmännische Lösungen, bei denen man die ausgebesserten Stellen deutlich erkennen kann und sich nach kürzester Zeit wieder Risse bilden, machen jedoch keinen Sinn", sagt Frank Schweizer, Leiter des Ausbildungszentrums für Stuckateure in Leonberg (Baden-Württemberg).,,Wichtig ist, bei solchen Reparaturen zu wissen: Aus welchen Materialien wurde der Stuck ursprünglich hergestellt? Aus Gips oder aus Kalk? Welche Substanzen eignen sich für die Reparatur? Und wie muss mit solch historischem Material umgegangen werden?", fügt Schweizer hinzu. Eingangs sollte vor allem sichergestellt werden, dass der Stuck nicht denkmalgeschützt ist. Falls der Denkmalschutz nicht die Hand auf dem Stuck hat, kann der Heimwerker selbst Hand daran anlegen. Gut möglich sei das etwa bei Rissen, die durch Erschütterungen entstanden sind. Oder wenn kleine Stückchen aus dem Gips herausgebrochen sind. ,,Das sind ganz gängige Schäden, die mit Feingefühl und passendem Werkzeug ausgebessert werden können", sagt Michael Heide, Geschäftsführer des Bundesverbands Ausbau und Fassade in Berlin.Dabei sollten Amateur-Stuckateure folgendermaßen vorgehen: ,,Der Riss muss etwas aufgeweitet und mit möglichst artgleichem Material aufgefüllt werden", erklärt Heide. Auf keinen Fall sollten Bauschaum in Risse gespritzt oder irgendwelche Kunststoffe zum Füllen verwendet werden, warnt Schweizer. Denn wenn sich Materialien nicht verbinden, können sich bald neue Risse bilden, so dass die nächste Reparatur ansteht. Es gibt speziellen Stuckateurgips, der langsamer abbindet als der weit verbreitete Schlossergips. Früher setzten Spezialisten dem Gips auch Hilfsmittel zu, die sie meist geheim hielten - so sollen manche für mehr Bindekraft und Plastizität Fischleim untergerührt haben. Für Nichtfachleute schwer abzuschätzen ist der Schwund des Auftrags bei der Trocknung - es ist einfacher, etwas mehr aufzutragen, als bei zu wenig Material nachträglich noch eine ganz feine Schicht aufzutragen. ,,Um dann die Konturen wieder herzustellen, muss man das zu viel verwendete Material vorsichtig abstoßen, etwa mit einem feinen Spachtel", erläutert Heide. Spätestens bei feinen figuralen Strukturen stießen Selbermacher aber meist an ihre Grenzen.Über die Jahre oder Jahrzehnte ist Stuck oft mehrfach überstrichen worden. Diese Farbschichten müssen entfernt werden, um die unscharf gewordenen Ornamente wieder freizulegen und die alten Konturen sichtbar zu machen. ,,Das ist allerdings eine Sisyphusarbeit, für die ein Heimwerker sehr viel Feingefühl und Geduld mitbringen muss, um die Form des Stucks nicht zu zerstören", sagt Schweizer.Vor dem Abtragen sollten Heimwerker zunächst herausfinden, um welches Material es sich bei der Oberflächenschicht handelt. ,,Der erste Schritt ist dabei die Benetzungsprobe", erklärt Josef Neundörfer, Stuckateurmeister aus Litzendorf bei Bamberg. Dazu wird einfach etwas Wasser darauf gesprüht. Handelt es sich um Kalkfarbe, zieht das Wasser ein. Bei Dispersionsfarbe bleibt es hingegen darauf stehen.Für das Abtragen selbst gibt es mehrere Möglichkeiten: ,,Abhängig von der Oberfläche kann man mit dem geeigneten Werkzeug beispielsweise vorsichtig die Schichten abkratzen", sagt Neundörfer. ,,Oder man kann toxisch neutrale Abbeizprodukte auftragen." Nach acht bis 16 Stunden lässt sich die alte Farbe dann mit weichen Pinseln, Spachteln oder Bürsten entfernen. Wer hingegen selbst seinen Stuck streichen will, verwendet besser abwaschbare Mineralfarben.Manchmal fehlen Teile des Stucks, beispielsweise aufgrund früherer Renovierungsarbeiten. ,,In diesem Fall sollten die entsprechenden Stücke von einem Stuckateur ergänzt werden", rät Heide. ,,Weil die exakten Nachbildungen der alten Ornamente kaum im Handel zu bekommen sind, müssen sie anhand individuell gezeichneter Schablonen oder mit Silikonnegativformen angefertigt werden."Eine andere Möglichkeit ist, die rudimentären Überbleibsel ganz zu entfernen und durch neuen Stuck nach eigenen Vorstellungen zu ersetzen - zumindest, wenn der alte keinen historischen Wert hat. Als Alternative zum Gipsstuck werden Profile aus Hartschaum angeboten, die mit Baukleber befestigt werden und nach Überstreichen mit Wandfarbe optisch kaum noch von echtem Stuck zu unterscheiden sind. Davon würde Neundörfer aber die Finger lassen: ,,Es handelt sich dabei nur um eine Attrappe, die Stilbruch ist und zudem keinerlei Vorteile bringt." Styropor sei außerdem anfälliger für Löcher oder Druckstellen, das Material vergilbe mit der Zeit und bei einem Brand entstehen nach seinen Angaben toxische Dämpfe.

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